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Interview mit Bettina von Kleist

Bettina-von-Kleist„Wir haben über alles gesprochen, nur nicht über unsere Gefühle.“

Interview mit der Berliner Autorin Bettina von Kleist über ihr neues Buch: „Das Jahr danach. Wenn Paare sich trennen.“

 

Ihr Buch handelt vom ersten Jahr nach einer Trennung. Fließen auch Ihre eigenen Erfahrungen ein?

Indirekt schon. Meine Scheidung ist schon Jahre her, aber wer eine Trennung durchlebte, weiß, wie schmerzlich sie ist. Ich kann mich gut in das anfängliche Gefühlschaos hineinversetzen, das viele InterviewpartnerInnen schildern. Bei allen individuellen Unterschieden durchlaufen Ex-Paare ja typische Phasen, Verlassene andere als Verlassende, Männer haben meist pragmatischere Bewältigungsstrategien als Frauen. Die Aussage „Ich habe Schluss gemacht“ verkennt, dass eine lange Beziehung oft wie eingekerbt bleibt.

Wie überlebt man das erste Jahr am besten?

Verlassende neigen dazu, Vergangenes zu verklären. Besonders Frauen sind oft fokussiert auf den Ex-Partner und verlieren eigene Prioritäten aus dem Blick. Männer konzentrieren sich mehr auf das, was sie können und wollen. Man kann Wut, Angst und Trauern nicht einfach überspringen. Aber für das angeschlagene Selbstwertgefühl ist es sehr hilfreich, wenn man Neues in sein Leben hinein nimmt. Indem man agiert und nicht bloß reagiert, überwindet man das Gefühl von Ohnmacht. Mir hat Musik, vor allem die Musik von Johann Sebastian Bach, sehr dabei geholfen, innerlich zur Ruhe zu kommen.

Viele Paare reduzieren vor einer Trennung die Zuwendung zueinander drastisch. Sie erzählen sich beinah nichts Persönliches und die Sexualität ist auch eingeschlafen. Manchmal habe ich mich beim Lesen des Buches gefragt: Wie konnten diese Paare glauben, dass ihre Beziehung halten kann?

Die größte Bruchstelle in Beziehung ist das Gesprächsdefizit. Paare reden über alles, nur nicht über sich selbst. Das führt zu Entfremdung, diese wiederum erschwert, Differenzen konstruktiv zu verhandeln. Frauen neigen dazu, ihren Partner zu beharken, Männer kapseln sich oft ab. Da eine erfüllte Sexualität, Neugier, Vertrauen und Hingabe voraussetzt, verabschiedet sie sich durch wachsende Vorbehalte. Auch Stress ist ein Feind der Lust. Aber Alltag, Kinder, das gemeinsame soziale Umfeld und materielle Vorteile sind eine starke Klammer. Besonders geschiedene Frauen vermissen oft ihr Familienleben. Die geordneten Verhältnisse wiegen emotionale Entbehrungen auf bis ein Riss erfolgt, der nicht mehr geflickt werden kann.

Manche Paare versuchen kurz vor Ende ja noch eine Paartherapie.

Auch Frauen, die verlassen, beklagen oft, dass ihr Partner nicht um ihre Beziehung kämpfte. Tendenziell sammeln Männer innerlich Minuspunkte und machen dann einen radikalen Schnitt. Aber ich kenne etliche Männer, die sich einer Paartherapie stellen und damit völliges Neuland betreten. Verblüffend ist ja, dass Partner, besonders Ex-Partner eine völlig abweichende Sicht auf ihre gemeinsamen Hochs und Tiefs haben. Viele Männer und Frauen, die ich sprach, überstanden den Trennungsprozess nur mit therapeutischer Begleitung.

Der berühmte amerikanische Partnerschaftsforscher John Gottman sagte einmal: Die Grundlage einer jeden Partnerschaft ist Freundschaft.

Ich bezweifele das. Es gibt das paradoxe Untersuchungsergebnis, dass  Paare sich desto schlechter kennen je länger sie zusammen sind. Sie stellen sich keine wesentlichen Fragen mehr, weil sie die Antwort des anderen schon zu wissen glauben. Männer begnügen sich oft damit, dass zuhause alles „läuft“, Frauen beanspruchen tendenziell, dass sie ihren Partner besser kennen als er sich selbst. Auch Freunde legen sich gegenseitig fest, aber die vereinbarte gemeinsame Zeit wird genutzt für Austausch, intensives Miteinander. Andererseits entfällt in Freundschaften Erotik und all die gemeinsamen Aufgaben und Pflichten, die Paare nicht nur entzweien, sondern auch tief verbinden. Im Idealfall lässt Liebe mehr Unterschiedliches zu als Freundschaften, die meist auf Ähnlichkeiten beruhen.

Hatten Sie manchmal das Gefühl, Ihre Interviewpartner beraten zu wollen?

Nein, das hätten meine Interviewpartner sicher auch nicht geschätzt. Schon dass jemand aufmerksam zuhört und präzise nachfragt, ist eine große Hilfe. Denn auch nahe Freunde entziehen sich ja oft, viele können irgendwann das Trennungsdrama nicht mehr hören.

Gab es etwas, das Sie bei Ihren Recherchen besonders berührte?

Bei den Einzelinterviews mit Ex-Paaren dachte ich oft: Wie schade, dass sich so wenig Einblick gewährten in ihre Gefühle. Trotz des Bruchs schimmert oft eine gegenseitige  Wertschätzung durch, die aber leider dem anderen vorenthalten wurde. Jetzt können sie die Sicht des Ex-Partners nachlesen. Im letzten Teil des Buches beleuchte ich das Verhältnis von Paaren, sie seit langem getrennt sind. Ein ehemaliges Paar, das sich, wie so oft, nach Jahrzehnten wieder freundschaftlich annähert, sagte, dass ihre jeweiligen Aussagen ein Anstoß seien, mutiger über Persönliches zu reden. Das hat mich gefreut.   

Das Interview wurde geführt von Christian Thiel.

Bettina-von-Kleist

Buchtipp:
Bettina von Kleist: „Das Jahr danach. Wenn Paare sich trennen.“
Ch. Links Verlag, 255 S., 16,90 €